Wie gesund ist die Luft an unserer Schule?
Um das schwarze Loch zwischen dem schriftlichen und dem mündlichen Abitur 2018 sinnvoll zu füllen beschäftigten sich die zwölf Schülerinnen und Schüler des 4h Physikkurses am Friedrich-Gymnasium Freiburg mit dem Thema „Feinstaubbelastung in unserer Umwelt“.
1. Analyse der Luftqualität mit einem Feinstaubsensor
2. Feinstaubbelastung im Klassenzimmer (Sensor + Smartphone)
3. Feinstaubbelastung auf dem Schulhof (Sensor + WLAN)
4. Feinstaubbelastung im Kopierraum (Sensor + Laptop)
5. Feinstaubbelastung an der Hauptstraße (Sensor + LoRaWAN)
1. Analyse der Luftqualität mit einem Feinstaubsensor
Die Messung der Luftqualität innerhalb des Schülerprojekts erfolgte mit dem Feinstaubsensor Nova SDS011 (18€, Lieferzeit aus China: 8 Wochen). Der Sensor zieht mit Hilfe eines kleinen Ventilators Luft durch einen Schlauch in seine Messkammer. Zur Analyse wird das Prinzip der Streuung von Laserlicht an Staubteilchen genutzt: Da die Intensitätsverteilung des gestreuten Laserlichts von der Größe der Staubteilchen abhängig ist kann der Sensor zwei unterschiedliche Staubarten unterscheiden: Grobstaub (PM 10µm Durchmesser) und Feinstaub (PM 2,5µm Durchmesser).
Natürlich kann ein Sensor für 18€ nicht das gleiche leisten wie eine kalibrierte teure Messstation z. B. der Landesanstalt für Umwelt Baden Württemberg (LUBW). In einer Vergleichsstudie der LUBW [Download] ergibt sich das folgende Fazit:
"Die Messwerte des Staubsensors SDS011 und des Feinstaubmonitors der Firma Grimm weisen an Tagen mit einer mittleren Luftfeuchtigkeit von ca. 50–70% und einer Staubelastung unter 20 μg/m³ eine zufriedenstellende Korrelation auf."
Für qualitative Messungen im Unterricht ist der günstige Sensor somit auf jeden Fall geeignet.
Feinstaubsensor für 18€: Das kann sich jede Schule leisten!
2. Feinstaubbelastung im Klassenzimmer (Sensor + Smartphone)
Wie gesund ist die Luft im Klassenzimmern? Zur einfachen Feinstaubanalyse kann der Sensor über ein Kabel (USB female to micro USB) direkt an Android Smartphones angeschlossen werden. Die kostenlose App „Smog Cop“ misst jede Sekunde die Luftqualität und zeigt die beiden Feinstaubwerte PM 10 und PM 2.5 sofort an. Mit der App wurde z. B. die Feinstaubbelastung im Klassenzimmer einmal nach dem trockenen und einmal nach dem feuchten Wischen der Tafel gemessen. Das Ergebnis war eindeutig: Durch trockenes Tafelwischen erhöht sich die Kreidestaubbelastung (PM 10) im Klassenzimmer massiv. Aus Gründen des Gesundheitsschutzes von Schülern und Lehrern wird deshalb empfohlen die Tafel immer nass zu wischen und zusätzlich den Raum gut zu lüften. Leider zeigt die App keinen zeitlichen Verlauf der Feinstaubbelastung an und die Messdaten können für eine professionelle Analyse nicht exportiert werden.
Messung der Feinstaubbelastung im Klassenzimmer mit der App SmogCop.
3. Feinstaubbelastung auf dem Schulhof (Sensor + WLAN)
Wie gesund ist die Luft auf unserem Schulhof? Mit Hilfe einer Bauanleitung der „Citizen Science“ Initiative "Luftdaten.info" wurde der Feinstaubsensor an einen Arduino-Chip mit WLAN-Modul angeschlossen. Die Sensor-Einheit misst nun alle drei Minuten die Feinstaubbelastung auf dem Schulhof und schickt die Daten direkt auf den Server von "Luftdaten.info". Das Ziel der Bürgerinitiative aus Stuttgart ist die staatlich unabhängige Analyse der Luftqualität durch Privatpersonen. Der Erfolg der Initiative kann sich sehen lassen: Mittlerweile haben 5.000 Personen in über 55 Ländern entsprechend der Bauanleitung eigene Sensoren hergestellt und stellen die Messdaten zur Analyse öffentlich zur Verfügung (Citizen Science = Forschen durch Bürger). Alle Feinstaubwerte sind in Echtzeit über die Homepage http://deutschland.maps.luftdaten.info graphisch aufbereitet in verschiedenen Formaten verfügbar.
Feinstaubsensor mit Arduino-WLAN-Chip, Stromversorgung und Röhre zum Schutz vor Regen. |
In Freiburg messen über 30 Sensoren die Luftqualität. |
Bei der kontinuierlichen WLAN-Messung der Luftqualität auf unserm Schulhof in den Monaten Juni/Juli 2018 zeigte sich, dass die Feinstaubbelastung deutlich unter dem EU Grenzwert liegt: Der EU Tages-Mittel-Grenzwert beträgt 50 µg/m³ (PM 10) und darf nicht öfter als 35mal im Jahr überschritten werden. Trotzdem sind in den Messkurven vom Schulhof Zeiten erkennbar, bei denen der Grenzwert kurzzeitig überschritten wird. Diese „Spitzen“ kommen durch (illegales) Grillen auf dem Schulhof zustande oder entstehen kurz vor Gewitterregen durch die aufgewirbelte Sturmluft.
4. Feinstaubbelastung im Kopierraum (Sensor + Laptop)
Um Feinstaubwerte auch unabhängig von einer WLAN-Verbindung zu messen kann der Sensor über die USB-Schnittstelle direkt mit einem Laptop verbunden werden. Leider haben die zum Sensor zugehörigen Win7 Programme der Firma Nova zum Auslesen des Sensor nicht zuverlässig funktioniert. Zur einfachen Aufnahme und Visualisierung von Feinstaub-Daten in Alltagssituationen hat uns freundlicherweise Herr Dr. Peter Holl vom Fraunhofer Institut für angewandte Festkörperphysik ein eigenes Feinstaub-Programm in der Programmiersprache Python geschrieben [Download]. Über die Benutzeroberfläche konnten die Schüler die Feinstaubbelastung von verschiedenen Alltagssituationen in Echtzeit aufnehmen, sofort analysieren und die Daten exportieren. Bei den Messungen mit dem Laptop zeigt sich, dass die Feinstaubbelastung im Kopierraum der Schule während der intensiven Nutzung vor der ersten Schulstunde deutlich erhöht ist. Zum Schutz der Lehrer-Gesundheit sollte der Kopierraum häufig gelüftet werden!
Programm zur Visualisierung und dem Export von Sensordaten mit dem Laptop.
Folgende Vergleichsmessungen wurden im Alltag der SchülerInnen mit dem Laptop durchgeführt:
-
Diesel-Auto vs. Benzin-Auto,
-
Holzkohle-Grill vs. Gas-Grill,
-
Laser-Drucker vs. Tintenstrahl-Drucker,
-
Staubsauger vs. Staubwischen.
Feinstaubbelastung in der Garage: Benzin-Auto vs. Diesel-Auto (Euro 6) |
Feinstaubbelastung beim Druck mit einem Laser-Drucker: Deutliche Zunahme des Grobstaubes PM 10 im Büro. |
5. Feinstaubbelastung an der Hauptstraße (Sensor + LoRaWAN)
Wie können Schülerinnen und Schüler Messdaten z. B. an der Hauptstraße ohne Energieversorgung und ohne WLAN-Zugang aufnehmen und in Echtzeit der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen? Möglich macht dies die neue LoRaWAN-Technologie (Long Range Wide Area Network). Hierbei senden batteriebetriebene Sensoren über große Reichweiten (bis zu 30km) Messdaten an spezielle LoRaWAN-Router. Die genauen Standorte der weltweit öffentlich verfügbaren 4.000 Router sind über die Homepage https://www.thethingsnetwork.org/map zugänglich. Die LoRaWAN-Router senden die empfangenen Sensordaten über das Internet an den Server von „The Things Network“ in den Niederlanden. Von dort können die Daten von jedem Sensorbesitzer zur gezielten Auswertung an Smartphone-Apps, an die eigene DropBox oder an Benutzeroberflächen wie Cayenne weitergeleitet werden.
Auswertung der LoRaWAN Sensorbox über die Benutzeroberfläche Cayenne in einem Wohngebiet:
Die Ausschläge am Wochenende kommen durch rege Grillaktivitäten der Nachbarn zustande.
Die Stadt Freiburg ist bereits ganz gut mit dem öffentlichen LoRaWAN-Netz abgedeckt. Somit exisieren ideale Bedingungen um in Freiburg "SMART CITY" Anwendugnen in den Schulunterricht zu integrieren. Das LoRa Netz ist allerdings auch für die Industrie interessant. So z. B. baut der Energieversorger Badenova momentan in Südbaden ein eigenes LoRaWAN-Netz auf und wird darüber Wasseruhren und Stromzähler automatisch ablesen lassen.
Ein Ziel des Schülerprojektes war die Herstellung von sieben eigenen LoRaWAN Sensorboxen für den Unterricht mit Hilfe einer Bauanleitung. Die kleinen Boxen können an beliebigen Orten im Stadtgebiet aufgestellt werden und senden mit Hilfe einer PowerBank über fünf Tage lang aktuelle Feinstaubwerte über das LoRaWAN-Netz.
Sensorkiste zur Feinstaubmessung über das LoRaWAN-Netz.
Aufgrund von langen Lieferzeiten der einzelnen Komponenten, ungenauen Angaben in der Bestellliste und verschiedenen Modellen des Arduino Chips funktionierten am Projektende leider nur lediglich zwei der sieben Sensorboxen. Trotzdem konnten erste LoRa-Langzeitmessungen durchgeführt werden: Eine 24h Messung an der Kronenbrücke in Freiburg (B31-Ost) an einem sommerlichen Wochenende zeigte, dass eine erhöhte Feinstaubbelastung vorhanden ist – die EU Grenzwerte aber eingehalten werden.
6. Fazit
Im Schülerprojekt "Feinstaubalarm im Klassenzimmer" konnte gezeigt werden, dass sich das Thema hervorragend für den MINT-Unterricht an Schulen eignet. Durch den Umgang dem Thema "Feinstaub" können zahlreiche inhaltsbezogene und prozessbezogene Kompetenzen in vielen Schulfächern (Physik, Biologie, Informatik, NwT) gefördert werden. Auch die Leitperspektiven des Bildungsplans 2016 in Baden-Württemberg wie Medienbildung, Gesundheitsschutz, Bildung für nachhaltige Entwicklung und Verbraucherbildung lassen sich über dem Thema intensiv mit der Praxis verknüpfen. Günstige Feinstaubsensoren für eigene Schulexperimente sind bereits verfügbar. Allerdings sind die Möglichkeiten zum Auslesen der Sensoren über Apps, WLAN oder LoRaWAN noch nicht an die Bedürfnisse des Schulunterrichts angepasst. Wir hoffen, dass sich Lehrmittelhersteller des Themas annehmen und in einigen Jahren fertige Sensoren zum drahtlosen Koppeln mit dem Smartphone oder Tablet für den Unterricht anbieten.
Abschlusspräsentation zum Projekt "Feinstaub"
von den Schülern Timon Fercho und Zhengmao Hua, Abitur 2018
[Download]
Danksagung: Wir möchten uns ganz herzlich bei Herrn Sebastian Müller von der Initiative "The Things Network Freiburg" für die fachliche Unterstützung bei unserem Schülerprojekt bedanken! Ebenso möchten wir uns bei Herrn Dr. Peter Holl und Herrn Reinhard Fürst für die schnelle und gezielte Hilfe bei der Programmierung der Sensor-Software bedanken! |
Zur Startseite
CC BY-NC-SA 4.0 © P. Bronner - Friedrich-Gymnasium Freiburg